Seit ca. 5000 Jahren wird der Extrakt aus Blättern des Ginkgo-Baumes (Ginkgo biloba) in der traditionellen chinesischen Medizin zur Stärkung des Herz-Kreislaufsystems und bei Herz-Rhythmusstörungen angewendet. Heute wächst Ginkgo vor allem in den südlichen und östlichen Teilen der USA, in Süd-Frankreich, China und Korea. Medizinisch nutzbar und daher zur Herstellung von Extrakten sind getrocknete oder frische Blätter und Samen des Ginkgo-Baumes.
Gingko-Extrakt hat sich auf der Ebene mitochondrialer Energieerzeugung als Stabilisator der inneren Membran von Mitochondrien erwiesen. Die Gegenwart von Inhaltsstoffen aus Gingko-Extrakt führt dabei zu einer Erhöhung des Membranpotenzials mit einer Wiederherstellung der Atmungskette und einer Erhöhung der ATP-Produktion (Abdel-Kader R, 2007) (Eckert A, 2005).
Zahlreiche neurodegenerative Erkrankungen sind durch schwache inflammatorische Reaktionen gekennzeichnet, die bestimmte Zellen – z.B. die Glia-Zellen des Gehirns – aktivieren. Nach Aktivierung beginnen diese Zellen damit, inflammatorische Faktoren, wie TNFa, NOS-2, COX-2 usw., auszuschütten. Gingko-Extrakt reduziert den Grad der Aktivierung solcher Zellen. NOS-2 wird dadurch weniger stark hochreguliert, wodurch weniger NO (Stickstoffmonoxid) produziert wird. Eigentlich ist NO ein „gutartiges“ Molekül mit wichtigen physiologischen Funktionen wie der Signaltransduktion (z.B. erweiternde Wirkung auf die Blutgefäße). Es reagiert jedoch in Situationen des oxidativen Stresses mit Sauerstoffradikalen zu Peroxinitrit (ONOO-), das ein sehr hohes gewebsschädigendes Potenzial hat (Flammer J M. M., 2007). Ginkgo-Extrakt hat dabei einen dualen Effekt – es reduziert die Konzentration von freiem O2- (Sauerstoffradikal) und verringert die Freisetzung von NO (Varga E, 1999).
Die Bedeutung der rheologischen Eigenschaften des Blutes (Blutfluss) in der Mikrozirkulation für verschiedene Erkrankungen des Auges wurde von Sofi et al. beschrieben (Sofi F, 2007). Aus diesen Untersuchungen an 180 Patienten mit retinaler Venenocclusion im direkten Vergleich zu einer ebenso starken, gesunden Kontrollgruppe geht hervor, dass sich die Veränderung der rheologischen Eigenschaften des Blutes auf die Enstehung einer retinalen Venenocclusion auswirkt. Ginkgo-Extrakt trägt durch Erhöhung der Verformbarkeit und Flexibilität von Erythrocyten, Absenkung der Fibrinogen-Konzentration zu Verbesserung der Viskosität und Viskoelastizität des Blutes und damit zur Verbesserung rheologischer Eigenschaften bei (Huang SY, 2004). Für die Entstehung eines Glaukoms, insbesondere des Normaldruckglaukoms (Bayer, 2011), ist das Auftreten venöser Occlusionen in der Retina von zentraler Bedeutung (Cybulska-Heinrich AK, 2012). Huang et al. stellten eine Verbesserung der abnormalen haemorheologischen Parameter bei Diabetes-Patienten mit Retinopathie nach dreimonatiger Einnahme von Ginkgo-Extrakt fest. Die Blutviskosität war signifikant erhöht, der Spiegel an Malondialdehyd[1] in den Erythrocyten war um 30 % reduziert und die Verformbarkeit der Erythrocyten um 20 % erhöht. Als Folge war der kapilläre Blutfluss ebenfalls signifikant erhöht.
Obwohl Ginkgo-Extrakte eine antithrombotische Wirkung zeigen, stützen die bisher verfügbaren Daten die Hypothese nicht, dass die Extrakte das Risiko für klinisch relevante hämorrhagische Blutungen erhöhen könnten (Sasaki Y, 2002).
Ginkgo-Extrakt erhöht die Mikrozirkulation durch Verbesserung der Endothel-abhängigen Vasodialtion. In einer kontrollierten Studie mit 60 gesunden älteren Probanden wurde der Einfluss von Ginkgo-Extrakt auf den Blutfluss in der linken vorderen Coronararterie und die Endothel-abhängige, durch den Blutfluss in der Brachialarterie gesteuerte Gefäßdilation untersucht. Verglichen mit der Placebo-Gruppe, zeigten die Ginkgo biloba-behandelten Probanden eine signifikante Steigerung der maximalen diastolischen Fließgeschwindigkeit, der maximalen systolischen Fließgeschwindigkeit in der Coronararterie (Wu Y, 2008).
Besonders beim Glaukom spielen Vasospasmen eine bedeutende Rolle (Flammer J P. M., 2001). Extrakt aus Ginkgo biloba zeigt eindeutige antivasospastische Eigenschaften bei einer präklinischen Studie, in der der Einfluss des Extrakts auf basale arterielle Vasospasmen in einem Hundemodell untersucht wurden (Bayar MA, 2003).
[1] Malondialdehyd ist ein wichtiges Abbauprodukt bei der Oxidation von mehrfach ungesättigten Fettsäuren und dient als Biomarker für den oxidativen Stress.
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